„Grimme trifft die Branche" stand in diesem Jahr ganz im Zeichen der Produktion „Die Hebamme“ (ZDF/ORF). Das Historiendrama um die Geburtshelferin Rosa Koelbl zeigt den aufreibenden Konflikt zwischen medizinischem Fortschritt und religiösen Traditionen im Tirol des 18. Jahrhunderts. Vor 150 Zuschauern diskutierte TV-Kritiker Volker Bergmeister im Münchener ARRI-Kino unter anderem mit den Grimme-Preisträgern Dagmar Hirtz (Regie), Brigitte Hobmeier (Darstellung), Peter Probst (Drehbuch) und Rudi Czettel (Ausstattung). Sie gaben einen Einblick in den spannenden Produktionsprozess.
„Der Weg war von Anfang an klar: Wir wollten keinen klassischen deutschen Historienfilm“, erzählt Autor Peter Probst. „Dennoch hat es bis zur vorletzten Drehbuchfassung gedauert, bis wir uns von allem Schmonzettigen verabschiedet haben.“ Damit der Film so authentisch wie möglich wurde, habe er über Wochen nur Hebammenberichte gelesen. Er wollte unbedingt herausfinden, warum die Kirche damals einen solchen Druck auf die Frauen ausüben konnte. Regisseurin Dagmar Hirtz war es wichtig, einen angemessenen Stil für die Geschichte zu finden. „Mich persönlich haben die Geschichte und die Figuren mehr interessiert als die historische Perspektive.“ Deshalb gebe es im Film auch mehrere Wahrheiten. Nur eine Wahrheit im Film zu suchen, wäre falsch.
Für Brigitte Hobmeier war die Darstellung der Hebamme Rosa Koelbl eine Herausforderung. „Ich habe sehr darauf geachtet, keine modernen Gesten zu benutzen. Man bewegt sich im Kostüm eben anders als in Jeans.“ Im Gegensatz zum Theater wird ihr bei einer Fernsehproduktion aber viel abgenommen. „Die Eigenverantwortung ist schon erheblich geringer“, so Hobmeier. Sie profitierte bei ihrer Vorbereitung von der eigenen Hausgeburt und beriet sich mit ihrer Hebamme.
Ausstatter Rudi Czettel erklärte seine Aufgabe, neben Bildgestalter Jo Heim dem Film die richtige Optik zu geben, so: „Ich kümmere mich um die Sandkiste, in der der Film spielt.“ Er sei in einen regelrechten Arbeitsrausch verfallen, weil ihn die Geschichte so angesprochen habe. Regisseurin Hirtz fand dann auch sehr lobende Worte: „Rudi hat den Geist der Hebamme total verinnerlicht.“ Während Drehbuchautor Probst bis zuletzt unsicher war, ob die Geschichte auch Männer ansprechen könnte, freute sich ZDF-Redakteurin Anja Helmling-Grob über den großen Zuspruch der Zuschauer: „4,6 Millionen Zuschauer sind ein sehr gutes Ergebnis.“ Natürlich hätten besonders viele weibliche Zuschauer eingeschaltet, so Helmling-Grob. „Wir haben ein Frauenpublikum erreicht wie nie zuvor.“
Herausgekommen ist ein Film, den die Grimme-Jury besonders lobt: „Die Inszenierung dieser Frauengeschichte von Dagmar Hirtz ist nie vordergründig oder Effekt heischend. Buch, Regie, Schauspiel, Kamera und Ausstattung: Hier greift eins ins andere und verbindet sich zu einem stimmigen und stimmungsvollen Ganzen“, heißt es in der Preisbegründung. Der Lohn: fünf glänzende Grimme-Trophäen bei der Preisverleihung im März.
Beim anschließenden Empfang im ARRI-Kino gab es für die Zuschauer genug Gelegenheit, um ihre Eindrücke mit den Filmemachern auszutauschen. Das Grimme-Institut und das iSFF initiieren die Veranstaltung „Grimme trifft die Branche“ seit 2007 als jährliches Gesprächsforum für Qualitätsfernsehen abwechselnd in Berlin und München. Im Mittelpunkt der Diskussionen mit hochkarätigen Gästen stehen als Schwerpunkte die Vergabekriterien des Grimme-Preises und die Bewertung von Fernsehqualität anhand einer aktuell mit dem Grimme-Preis ausgezeichneten Fernsehproduktion.
„Grimme trifft die Branche“ hat sich im fünften Jahr als Get-together von Medienschaffenden etabliert, bei dem nicht nur inspirierende Gespräche, sondern auch die Vernetzung jenseits des Podiums garantiert sind. Gemeinsame Gastgeber waren in diesem Jahr das Grimme-Institut, das iSFF sowie das ARRI-Kino, München.