Grimme trifft die Branche mit RTL in Berlin: „Deutschland 83 oder die Renaissance der Serie“
Gibt es eine Renaissance der deutschen Serie? Nachdem das ZDF im Frühjahr mit „Schuld“ bereits vorgelegt hat, erwartet die ZuschauerInnen im Herbst drei weitere große Serienprojekte: „Blochin“ im ZDF, „Sedwitz“ in der ARD und „Deutschland 83“ bei RTL, die Serie, die bereits im Vorfeld für Furore gesorgt hat. Die erste deutsche Serie, die vor ihrer Deutschlandpremiere in den USA ausgestrahlt wurde, bereits in zahlreiche europäische Länder verkauft ist und als Privatsender-Produktion vom Feuilleton gefeiert wird.
„Wir wollten etwas Neues, etwas Schönes erzählen“, sagt Frank Hoffmann, Geschäftsführer Programm RTL, „eine komplexe Geschichte, die ein junges Publikum begeistern kann und gleichzeitig bei der Generation ankommt, die diese Zeit miterlebt hat.“ Hoffmann und die Macher der Serie stellten sich in der Deutschen Kinemathek Berlin der Diskussion im Rahmen der Grimme-Reihe „Grimme trifft die Branche“, die hier eine kleine Premiere erlebte: Erstmals ging es um eine Produktion, die noch nicht im deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurde.
Deutschland 83 erzählt die Geschichte des jungen DDR-Offiziers Martin Rauch, der nicht ganz freiwillig als Spion bei einem hohen Bundeswehrgeneral eingeschleust wird. Vor dem Hintergrund eines drohenden 3. Weltkrieges zeichnet die Serie das Bild einer Generation zwischen Friedensbewegung und atomarem Wettrüsten.
Das Buch stammt von der deutsch-amerikanischen Schriftstellerin Anna Winger, die damit ihr erstes Drehbuch vorgelegt hat. „Ich musste beide Seiten - Ost und West - recherchieren“, so Winger, „deshalb bin ich vielleicht etwas freier gewesen.“ Produziert wird Deutschland 83 von ihrem Mann, Jörg Winger, der ihre auf Englisch geschriebenen Bücher ins Deutsche übersetzt: „Orientiert haben wir uns an realen historischen Ereignissen, aber natürlich fiktionale Charaktere aufgesetzt.“
Für Regisseur Edward Berger war es deshalb „umso wichtiger, genau zu sein.“ Von Vorteil war es sicher, dass „fast alle Protagonisten noch leben“, so Anna Winger. Bei der gesamten Produktion stand die intensive Auseinandersetzung mit den Autoren im Mittelpunkt: „Wir erleben einen Paradigmenwechsel“ davon ist UFA-Geschäftsführer Nico Hofmann überzeugt. „Ein anderer Umgang mit den Autoren wird die Branche radikal verändern.“ Das bedeutet auch ein Umdenken bei den Sendern: „Ein ganzer Sender arbeitet für so ein Format“, sagt RTL-Bereichsleiter Fiction Philipp Steffens und verstehe sich als Teil des Teams und nicht als bloßer Abnehmer einer Auftragsproduktion.
Einen Grund für das große internationale Interesse an Deutschland 83 sieht Jörg Winger in einer Öffnung der Stoffe in die ganze Welt: „Nationale Mikrostoffe funktionieren weltweit. Es gibt eine globale Filmsprache, die dafür sorgt, dass Geschichten nationale Grenzen nicht mehr wahrnehmen.“ Dass die Serien, ob spanisch, englisch oder deutsch, für einen internationalen Erfolg keiner Synchronisation mehr bedürfen, sondern im Gegenteil gerade wegen ihrer Authentizität so erfolgreich sind, hat für ihn einen ganz simplen Grund: „Sprache wird zum Soundtrack einer Serie.“
„Unsere Mütter unsere Väter“ hat eine Tür geöffnet. Wir werden ernst genommen im internationalen Markt. Das Entscheidende war der Presseaufschlag in den USA“, sagt Nico Hofmann. Deutschland 83, das in den USA beim Arthouse-Channel Sundance läuft, hat es schon mehrfach in die „New York Times“ geschafft. Für einen Free-TV-Sender wie RTL ist „Deutschland 83“ trotzdem nicht ganz unproblematisch: „Man muss bereit sein, mit so einer horizontalen Erzählung über acht Folgen das Risiko einzugehen“, sagt Frank Hoffmann. Aber „Mut gehört zum Programm machen dazu – against all Widerstand“, so Nico Hofmann.
Wie weit die Detailtreue bei der Produktion ging, mussten die jungen DarstellerInnen quasi am eigenen Leib erfahren: „Die Haare unter den Achseln waren das größte Problem für die jungen KollegInnen“, sagt Regisseur Edward Berger.