Als der damals gerade einmal 30-jährige Lutz Hachmeister 1989 als Direktor des Grimme-Instituts antrat, dürfte der Kulturschock vernehmlich gewesen sein. Da kam einer aus Berlin, wo er in den Jahren zuvor die Medienseite des „Tagesspiegel“ gestaltet hatte und schon damals eine Unabhängigkeit an den Tag legte, die ihn bis zum Schluss nie verlassen hat. Grimme wurde unter Hachmeister zum Treffpunkt der Vor- und Nachdenker über die sich wandelnde Medienwelt. Da hatte einer seinen McLuhan gelesen und wendetet ihn – wie später das Werk Neil Postmans – so kongenial wie praxistauglich an. Mit allem wissenschaftlichen Anspruch, aber nicht bierernst.
Vielmehr gehörte bei Lutz Hachmeister auch immer ein amüsiertes Lachen über die Absurditäten des Mediensystems dazu. Als er 1993 in der damals fortschrittlichsten Wochenzeitung namens „Die Woche“ den Öffentlich-Rechtlichen den ein oder anderen Schwachpunkt aufzeigte, reagierte der ausgesucht beleidigt. Intendanten und Programmdirektoren der ARD seien im Durchschnitt Mitte 50, hielten per Hausberufungen Störenfriede fern und erinnerten insgesamt „an Politiker aus der Endphase der Weimarer Republik“, hatte Hachmeister geschrieben. Worauf der damalige ARD-Vorsitzende und NDR-Intendant Jobst Plog Grimme vorübergehend die kalte Schulter zeigte. Später wurden die beiden, wenn nicht gute Freunde, so doch geschätzte Sparringspartner.
Dass Marl für Hachmeister irgendwann zu klein werden könnte, lag auf der Hand. 1996 kam der Wechsel nach Köln, doch die aufklärerische Idee von Grimme ging mit. Wie auch das „Jahrbuch Fernsehen“, das erst weiterhin als Grimme-Projekt lief, später getragen wurde von Hachmeisters 2005 gegründetem „Institut für Medien- und Kommunikationspolitik“ und bis 2021 erschien. Mit der „Cologne Conference“ baute er in Köln für Grimme ein internationales Pendant zum Grimme-Preis als wichtigste deutsche Fernseh-Auszeichnung auf. In den Folgejahren zelebrierte Hachmeister mit der eigenen Firma HMR International dann den Spagat zwischen Medienberatung und TV-Produktion.
Hachmeister war bei aller intellektuellen Vorreiterrolle dabei immer Teamplayer, weil er genau wusste, was er nicht konnte. Dafür wuchsen seine Mitarbeiter*innen auch immer in die anderen Projekte des 360-Grad-Interessierten hinein. Vor allem der Nationalsozialismus und seine Aufarbeitung waren ihm ein Anliegen. Für seine Dokumentation „Schleyer – Eine deutsche Geschichte“ gewann Hachmeister 2004 gleich zwei Grimme-Preise. 2009 kam der Deutsche Fernsehpreis für die Dokumentation „Freundschaft – Die Freie Deutsche Jugend“ dazu.
Vor ein paar Jahren hatte er angekündigt, kürzer zu treten und fortan den fröhlichen Ruheständler zu mimen. Fröhlich blieb er, von Ruhestand konnte aber natürlich keine Rede sein. In der vergangenen Woche ist Lutz Hachmeister kurz vor seinem 65. Geburtstag in Köln gestorben. Er war bis zum Schluss aktiv. Sein letztes Buch – "Adolf Hitler - Der Diktator und die Journalisten" wird posthum im November erscheinen.
Walid Nakschbandi, Geschäftsführer der Film- und Medienstiftung NRW:
„Im Mai trafen wir uns das letzte Mal. Natürlich in Köln, im Funkhaus Café. Hachmeister war bester Laune. Wir sprachen über „Hitlers Interviews“, sein aktuelles Buch. Aber wie so häufig auch über neue Ideen und die Lage der deutschen Medien und: über anständigen Journalismus. Lutz Hachmeister war immer ein neugieriger, nicht abgehobener Intellektueller, stets inspirierend, stets positiv, stets ansteckend heiter. Sein wacher Blick wird fehlen. Seine Themen auch. Die Veröffentlichung seines neuesten Buches im November wird er nun nicht mehr miterleben. Er wird uns sehr fehlen.“
Dr. Lutz Hachmeister war Leiter des Grimme-Instituts (damals noch Adolf Grimme Institut) von 1989 bis 1995, die Film- und Medienstiftung NRW ist Gesellschafterin des Grimme Instituts.