Grimme trifft die Branche

#RuhmstattRente

Wir kennen Schauspielerinnen und Schauspielern vor allem als Menschen im Scheinwerferlicht. Aber was folgt, wenn das Arbeitslebens zu Ende geht? Dann erwartet die meisten nur eine kleine Rente oder gar die Sozialhilfe – Konsequenz eines „atypischen Beschäftigungsverhältnis“, welches sich auch jenseits des Schauspielfachs immer weiter durchsetzt. Das sind Erkenntnisse der Veranstaltung „Ruhm statt Rente“ vom 29.8. die gemeinsam von Grimme-Institut, Götz-George-Stiftung und Deutscher Kinemathek ausgerichtet wurde – ein weiteres „Grimme trifft die Branche“.

Den Auftakt machte Michael Söndermann vom Büro für Kulturwirtschaftsforschung, Köln. Er unternahm den Versuch, die oftmals prekäre Lage der Schauspielerinnen und Schauspieler – vor allem mit Blick auf den Ruhestand – im Spiegel amtlicher Statistik zu beschreiben, um immer wieder deutlich zu machen: „Eigentlich sind diese Zahlen nur bedingt aussagekräftig!“ Er geht im Mittel von einer Rente zwischen sieben und achttausend Euro im Jahr aus, wenn nicht privat vorgesorgt wurde, was für viele auf ein Leben am Existenzminimum hinausläuft, insbesondere wenn sie noch unter diesem Satz lägen – und das sind keine Einzelfälle.

Im anschließenden ersten Panel ging es dann zunächst um die inhaltlich-kreative Seite des Themas, aber auch die Paradoxien des Rentenrechts, an dem Schauspielerin Eleonore Weisgerber, Produzent Andreas Bareiss, Casterin Nina Haun und Mitveranstalterin Marika George von der Götz George Stiftung teilnahmen, moderiert von Klaudia Wick von der Deutschen Kinemathek. „Ich wusste das es bitter ist, aber so?“ zeigte sich Casterin Haun geschockt von den Zahlen. Es ist ein sensibles Thema, welches Vertrauen und oftmals auch Vertraulichkeit voraussetzt, um darüber zu sprechen: „Es gibt eine große Hemmschwelle. Betroffene haben große Scheu, sich an uns zu wenden,“ so Marika George, die sich in ihrer Stiftungsarbeit auf die Situation ältere Schauspielerinnen und Schauspieler fokussiert. Eine Ausnahme ist hier vielleicht Schauspielerin Eleonore Weisgerber die das Rentenalter erreicht hat, überrascht wurde von ihrem Rentenbescheid und sich, anders als andere, öffentlich und lautstark dagegen gewehrt hat: „887 Euro und das nach 45 Jahren Arbeit!“ Für sie muss ein anderes Verständnis des Schauspielberufs greifen: „Drehtage sind das Ergebnis der Arbeit, es sind nicht unsere alleinigen Arbeitstage“, so Weisgerbers Lösungsidee für eine gerechtere Rente.

Und dann gibt es noch eine arbeitspraktische Seite des Themas, die hilft, eine geringe Rente abzufedern: Rollen für ältere Schauspielerinnen und Schauspielern, die leider vielfach Mangelware sind, trotz mehrheitlich „reifer“ Zuschauerinnen und Zuschauer im TV-Bereich. „Die Sender wollen ein junges Publikum – vor allem die Privaten, da geht es immer um die werberelevante Zielgruppe 14-49. In der Folge werden vor allem ‚junge Stoffe‘ verfilmt, die dann mit jüngeren Schauspielerinnen und Schauspielern besetzt werden,“ erklärte hierzu Produzent Bareiss. Zudem habe die Arbeitsverdichtung zugenommen, wo früher achtundzwanzig Drehtage für eine Produktion zur Verfügung standen, wären es heute nur noch einundzwanzig – ein Drittel weniger. Auch gäbe es immer weniger Tage für die Vorbereitung, denn Sender träfen ihre inhaltlichen Entscheidungen immer später, teilweise werde noch zu Drehbeginn an den Drehbüchern geschrieben. „Was für eine Missachtung der Schauspielerinnen und Schauspieler!“ platzte es aus Bareiss förmlich heraus, sie wären doch keine bloßen „Sprechmaschinen“. Beifall im Publikum. Tangiert wird damit aber ein ebenso heikles Thema: die sinkende Belastbarkeit Schauspielerinnen und Schauspielern im Alter. Auch das ein „sehr sensibles Thema!“, so Casterin Haun.

Im abschließenden zweiten Panel ging es dann eher um die strukturell-politische Seite des Themas, an dem Grimme-Direktorin Dr. Frauke Gerlach, der Berliner Abgeordnete Notker Schweikhardt ( Sprecher für Kulturpolitik und Kreativ-Wirtschaft in der Fraktion Bündnis 90 / Die GRÜNEN) und der Vorsitzende der Schauspielergewerkschaft BFFS Heinrich Schafmeister teilnahmen. Letzterer machte auf die übergreifende Bedeutung der rentenrechtlichen Rahmenbedingungen aufmerksam: „Wir arbeiten nicht in ‚atypischen Beschäftigungsverhältnissen‘, sondern immer häufiger in typischen“, also in zunehmend normalen, so Schafmeister. Ergo brauche es eine Bürgerversicherung, in die alle einzahlen; „eine, die ihren Namen auch verdient“. Als Vertreter ein Schauspielergewerkschaft schloss er sich weiterhin Weisgerbers Idee an, Drehtage nicht als alleinige Arbeitstage zu verstehen.   

„Der Zeitpunkt ist günstig, hier etwas zu bewegen“, so Grimme-Direktorin Frauke Gerlach, denn auch sie glaube, dass die rentenrechtlichen Besonderheiten des Schauspielberufs längst zum Normalfall geworden sind und eben nicht mehr nur Schauspielerinnen und Schauspieler beträfe, sondern bspw. auch im Digitaljournalismus anzutreffen wären. „Es ist eine soziale Frage, die uns alle angeht“, so Gerlach. Sie hätte man zu Wendezeiten klären können, aber man habe es damals versäumt. 

Allerdings ist die Politik auf das Thema aufmerksam geworden, konnte Schweikhardt bestätigen, am Ende ist es jedoch mühsam: „Wie durch Dünen gehen“, bündelte Schafmeister es bildlich, „zwei Schritte vor, drei zurück!“         
       

 
Von links nach rechts: Michael Söndermann (Büro für Kulturwirtschaftsforschung), Tanja George (Götz George Stiftung), Nina Haun (Casterin), Eleonore Weisgerber (Schauspielerin), Andreas Bareiss (Produzent), Marika George (Götz George Stiftung), Heinrich Schafmeister (BFFS), Dr. Rainer Rother (Deutsche Kinemathek) und Dr. Frauke Gerlach (Grimme-Institut), Bildquelle: Maelsa / Grimme-Institut.
Von links nach rechts: Michael Söndermann (Büro für Kulturwirtschaftsforschung), Tanja George (Götz George Stiftung), Nina Haun (Casterin), Eleonore Weisgerber (Schauspielerin), Andreas Bareiss (Produzent), Marika George (Götz George Stiftung), Heinrich Schafmeister (BFFS), Dr. Rainer Rother (Deutsche Kinemathek) und Dr. Frauke Gerlach (Grimme-Institut), Bildquelle: Maelsa / Grimme-Institut.
Von links nach rechts: Marika George (Götz George Stiftung), Dr. Frauke Gerlach (Grimme-Institut) und Tanja George (Götz George Stiftung), Bildquelle: Maelsa / Grimme-Institut.
Andreas Bareiss (Produzent) im Gespräch mit Heinrich Schafmeister (BFFS), Bildquelle: Maelsa / Grimme-Institut.
Dr. Rainer Rother (Deutsche Kinemathek) begrüßt, Bildquelle: Maelsa / Grimme-Institut.
Von links nach rechts: Moderatorin Klaudia Wick (Deutsche Kinemathek), Dr. Frauke Gerlach (Grimme-Institut) und Marika George (Götz George Stiftung), Bildquelle: Maelsa / Grimme-Institut.
Michael Söndermann (Büro für Kulturwirtschaftsforschung) hat einige Zahlen parat, Bildquelle: Maelsa / Grimme-Institut.
Knapp fünfzig Teilnehmerinnen und Teilnehmer fanden in den Veranstaltungssaal der Deutschen Kinemathek), Bildquelle: Maelsa / Grimme-Institut.
Panel eins (von links nach rechts): Klaudia Wick (Deutsche Kinemathek), Eleonore Weisgerber (Schauspielerin), Nina Haun (Casterin), Andreas Bareiss (Produzent) und Marika George (Götz George Stiftung), Bildquelle: Maelsa / Grimme-Institut.
Panel zwei (von links nach rechts): Moderatorin Klaudia Wick (Deutsche Kinemathek), Heinrich Schafmeister (BFFS), Notker Schweikhardt (Bündnis 90 / Die GRÜNEN) und Dr. Frauke Gerlach (Grimme-Institut), Bildquelle: Maelsa / Grimme-Institut.
Auch das Publikum machte von der Möglichkeit zur Mitwirkung Gebrauch, Bildquelle: Maelsa / Grimme-Institut.